06 Nov.

Die GWVR – Gewinn für die Konzertbranche

aus: musikmarkt   48/2014, 06.11.2014

Dr. Johannes Ulbricht: „Verwertungsgesellschaft für Veranstalter ist eine Bereicherung für die Branche“

Interview mit GWVR-Geschäftsführer Dr. Johannes Ulbricht

Nach zehn Jahren Vorbereitungsarbeiten wurde eine Verwertungsgesellschaft für Veranstalter, die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Veranstalterrechten (GWVR) zugelassen. Wie die Vergütung der Konzertveranstalter bei Konzertaufzeichnungen durch Ton- oder Bildtonträger, Rundfunk oder Fernsehen oder als Stream auf YouTube oder Spotify erfolgen soll, erklärt im Interview Rechtsanwalt Dr. Johannes Ulbricht.

musikmarkt: Herr Dr. Ulbricht, warum hat das Zulassungsverfahren durch das Deutsche Patent- und Marketnamt (DPMA) für die neue Verwertungsgesellschaft so lange gedauert?

Dr. Johannes Ulbricht: Ich war auch davon überrascht, wie intensiv das Deutsche Patent- und Markenamt unser Konzept auf Schwachstellen abgeklopft hat, bevor es uns nach fast drei Jahren die Zulassung gegeben hat. Im Rückblick kann ich diesen Aufwand allerdings nachvollziehen: Eine Verwertungsgesellschaft verwaltet ja nicht nur treuhänderisch Gelder, sondern ist vor allem auch ein gesetzlich zugelassener Monopolist, der einseitig Tarife aufstellen kann. Aus Veranstaltersicht kennen wir das ja von der GEMA.

musikmarkt: Nach welchem Verteilungsschlüssel wird die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Veranstalterrechten (GWVR) die inkassierten Gelder zwischen ihren Mitgliedern verteilen?

Dr. Johannes Ulbricht: Jede Verwertungsgesellschaft – also auch die GWVR – ist gesetzlich dazu verpflichtet, Verteilungspläne aufzustellen, die der Kontrolle des Deutschen Patent- und Markenamtes unterliegen. Sobald der Beirat der GWVR aufgestellt ist, gehört die Aufstellung der Verteilungspläne zu seinem Aufgabenbereich. Im Prinzip sollen die Einnahmen nach Abzug der Kosten eins zu eins an die Berechtigten weitergeleitet werden. Jedes Mitglied soll das Geld erhalten, das der Lizenznehmer für die Nutzung seiner Veranstaltungsmitschnitte gezahlt hat. Da in der Praxis meist mehrere Unternehmen an der Durchführung von Veranstaltungen zusammenarbeiten, wird es in vielen Fällen erforderlich sein, die Vergütung für das Leistungsrecht unter mehreren Berechtigten aufzuteilen.

musikmarkt: Welche Kosten fallen für die Veranstalter an, wenn sie Mitglied der GWVR werden?

Dr. Johannes Ulbricht: Veranstalter zahlen einen einmaligen Aufnahmebeitrag in Abhängigkeit von ihrem Jahresumsatz. Es gibt keinen jährlichen Mitgliedsbeitrag. Alle weiteren Kosten der GWVR werden dadurch abgedeckt, dass die Verwertungsgesellschaft einen Teil der inkassierten Gelder einbehält.

musikmarkt: Wer kann Mitglied werden?

Dr. Johannes Ulbricht: Mitglied der GWVR können inländische sowie ausländische Veranstalter mit Sitz in der Europäischen Union werden. Veranstalter und damit Inhaber des Leistungsschutzrechts aus § 81 UrhG ist, wer die organisatorische und finanzielle Verantwortung für die Veranstaltung trägt. Es können also Tournee-Veranstalter oder örtliche Veranstalter oder auch beide gemeinsam Veranstalter sein. Inländische Veranstalter können übrigens nicht nur ihre inländischen, sondern auch ihre ausländischen Mitschnitte schützen lassen. Wenn ein deutscher Tourneeveranstalter zum Beispiel ein Konzert in den USA finanziert und organisiert, wird er an der Auswertung von Veranstaltungsmitschnitten beteiligt.

Virales Marketing über Facebook und YouTube wird nicht durch die GWVR behindert

musikmarkt: Ist die Gründung der GWVR eine Retourkutsche gegen das 360-Grad-Modell der Tonträgerwirtschaft? Nach dem Motto: Wenn ihr in unseren Gewässern fischt, fischen wir in euren?

Dr. Johannes Ulbricht: Definitiv nicht und in meinen Gesprächen mit Tonträgerherstellern merke ich auch, dass wir nicht auf diese Weise falsch verstanden werden. Tatsache ist doch, dass es für die Tonträgerhersteller derzeit kostenlose illegale Konkurrenz in Form von unzähligen Handy-Konzertmitschnitten gibt. Darüber redet niemand. Aber wenn wir für die Veranstalter eine Beteiligung an den Werbeerlösen von YouTube und anderen Online-Anbietern verlangen, die mit solchen Handymitschnitten ja Geld verdienen, dann soll das auf einmal ein unfreundlicher Akt gegen die Tonträgerhersteller sein. Die gesamte Musikwirtschaft profitiert davon, wenn diejenigen, die Aufbauarbeit machen, dafür einen langfristigen finanziellen Anreiz erhalten. Das gilt auch für den Veranstalter, der in seinem Club oder als Vorband auf seinem Festival heute die Stars von morgen aufbaut. Es ist nur fair, wenn er ebenfalls davon profitiert, dass er frühzeitig den richtigen Riecher hatte.

musikmarkt: Haben Künstler einen Nachteil davon, wenn ihr Veranstalter Mitglied der GWVR ist?

Dr. Johannes Ulbricht: Künstler haben ein eigenes Leistungsschutzrecht. Die Entscheidung, ob ein Live-Mitschnitt von ihren Konzerten erstellt werden soll, bleibt bei ihnen. Im Vordergrund wird für den Künstler bei der Wahl des Veranstalters weiterhin dessen Professionalität und Leistungsfähigkeit stehen. Ob er Mitglied der GWVR ist, spielt aus Sicht des Künstlers keine Rolle.

musikmarkt: Verliert der Veranstalter die Kontrolle darüber, welche Mitschnitte von seinem Konzert gemacht werden, wenn er Mitglied der GWVR wird? Ist es nicht sinnvoller, die Erlaubnis zu einem Mitschnitt individuell gegen eine Lizenzgebühr zu vergeben, 
anstatt über eine Verwertungsgesellschaft?

Dr. Johannes Ulbricht: Der Veranstalter behält weiterhin die Kontrolle darüber, ob ein Mitschnitt von seiner Veranstaltung gemacht wird und falls ja, was für ein Mitschnitt. Er kann auch weiterhin eine Lizenzgebühr dafür verlangen, dass er einen Mitschnitt genehmigt. Nur der Veranstalter entscheidet – gemeinsam mit dem Künstler – ob überhaupt und wenn ja, in welcher Form ein Mitschnitt auf den Markt gebracht wird. Die GWVR inkassiert lediglich die Vergütung für bestimmte Standardformen der kommerziellen Auswertung von Live-Aufzeichnungen, die der Veranstalter wegen ihrer Vielzahl selbst nicht überblicken und in jedem Einzelfall genehmigen kann. Die Mitgliedschaft in der GWVR bedeutet also keinen Kontrollverlust für Veranstalter oder Künstler.

musikmarkt: Macht die GWVR virales Marketing über Facebook und ähnliche Dienste unmöglich?

Dr. Johannes Ulbricht: Um virales Marketing nicht zu erschweren, werden die zukünftigen Tarife der GWVR Möglichkeiten für die kostenfreie Nutzung und Weiterverbreitung von Kurzmitschnitten für die Verbreitung über Facebook oder andere Plattformen bieten. Natürlich braucht man da für Comedy-Veranstaltungen andere Regeln als für Konzerte oder Musicals. Das ist eine Aufgabe für unseren Beirat. Die Tarife sollten so beschaffen sein, dass die Fans beim viralen Marketing nicht behindert werden, aber die Plattformbetreiber wie Facebook oder YouTube trotzdem einen Teil der Einnahmen abgeben, die sie durch die Nutzung der Veranstaltungsmitschnitte generieren.

17 Sep.

GWVR vom Deutschen Patentamt zugelassen

aus: musikmarkt   17.09.2014

bdv startet Verwertungsgesellschaft zur Wahrnehmung von Veranstalterrechten GWVR

Hamburg – Nach zehn Jahren Vorbereitungsarbeiten wurden nun in Hamburg eine Verwertungsgesellschaft für Veranstalter, die Gesellschaft zur Wahrnehmung von Veranstalterrechten (GWVR) durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) zugelassen. Damit beanspruchen nun nach Urhebern, ausübenden Künstlern und Tonträgerherstellern auch Konzertveranstalter eine Vergütung für jede Form der Auswertung ihrer Leistungen.
Die GWVR wird wird künftig Ansprüche ihrer Mitglieder dann geltend machen, wenn Konzertaufzeichnungen z.B. durch Ton- oder Bildtonträger, durch Rundfunk oder Fernsehen oder als Stream beispielsweise auf YouTube oder Spotify genutzt werden. Die neue GWVR ist 100 prozentige Tochter des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft (bdv). Die GEMA soll voraussichtlich mit dem Inkasso der Beteiligungen beauftragt werden.

“Damit gibt es erstmalig in Deutschland eine Verwertungsgesellschaft, die die in § 81 UrhG gesetzlich vorgesehene Beteiligung der Veranstalter an der kommerziellen Auswertung von Live-Mitschnitten inkassiert und an die Berechtigten ausschüttet”, berichtet GWVR-Geschäftsführer Dr. Johannes Ulbricht. “Allerdings geht unsere Arbeit erst jetzt richtig los, denn nun werden wir in Abstimmung mit dem DPMA Tarife und Verteilungspläne aufstellen müssen.”
Alle Veranstalter mit Sitz in der EU können Mitglied der GWVR werden. Deutsche Veranstalter können über die GWVR nicht nur die inländischen, sondern auch die ausländischen Veranstaltungen auswerten lassen. “Mit der GWVR wurde nach einem langwierigen und schwierigen Zulassungsverfahren erstmals die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Veranstalter nicht lediglich auf den flüchtigen Erfolg ihrer Konzerte angewiesen sind sondern langfristig an den Früchten ihrer Arbeit beteiligt werden”, so Prof. Jens Michow, geschäftsführender Präsident des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft.
Das DPMA hat der GWVR nach dreijähriger Prüfungszeit zugestimmt. Nun stehen für den bdv bzw. die GWVR erst einmal das Aufstellen von Tarifen und Verhandlungen mit Tarifvertragspartnern an.

29 Aug.

Herausforderung: Aufbau der GWVR

aus: musikmarkt  35/2014, 29.08.14

Aufgaben: Tarife aufstellen und mit den Vertragspartnern verhandeln

Aus einem Interview mit dem Präsidenten des Bundesverbands der Veranstaltungswirtschaft (bdv), Prof. Jens Michow

musikmarkt: Wo sind die wichtigsten Baustellen der Branche, wo sehen Sie die größten Risiken und Herausforderungen und welche Forderungen haben Sie in diesem Zusammenhang an die Politik?

Prof. Jens Michow: Unsere spannendste Herausforderung wird in dem Aufbau der GWVR – der Gesellschaft zur Verwertung von Veranstalterrechten – bestehen, deren Zulassung durch das DPMA wir nach nunmehr fast dreijähriger Prüfungszeit in Kürze erwarten. Wir werden dann Tarife aufzustellen haben und mit den Tarifvertragspartnern verhandeln müssen. Eine weitere Herausforderung sind für uns die derzeitigen Tarifverhandlungen mit der GEMA. Unser 2010 abgeschlossener Gesamtvertrag läuft Ende dieses Jahres aus. Seit einigen Monaten verhandeln wir mit der GEMA über den Folgevertrag. Sie will sukzessiv bis 2019 den Tarif für Veranstaltungen bis 2000 Besucher von aktuell 5 Prozent auf 7,2 Prozent des Umsatzes – also um sage und schreibe 44 Prozent – anheben. Das ist für uns absolut inakzeptabel, da die Kostenbelastung im Verhältnis zu den Gewinnchancen bei derartigen Veranstaltungen ohnehin bereits oberhalb der Schmerzgrenze liegt. Zurzeit hoffen wir noch darauf, einen für uns tragfähigen Kompromiss zu finden. Einen Abschluss um jeden Preis wird es mit unserem Verband allerdings nicht geben. Als wichtige Aufgabe betrachten wir es auch, unsere Mitglieder noch weiterhin von den Vorteilen und der Attraktivität unserer mit der Künstlersozialkasse geschlossenen Ausgleichsvereinigung zur Zahlung der Künstlersozialabgabe zu überzeugen. Unser Vertrag mit der KSK, den der bdv bereits 2009 abgeschlossen hat, wurde soeben abrechungstechnisch auf neue Beine gestellt. Ich bin froh, dass die Akzeptanz dieses die Abgabepflicht sehr erleichternden Verfahrens weiterhin als herausragende Verbandsleistung wahrgenommen wird.